Es ist überraschend, aber Biologen haben keine eindeutige Definition für Leben, obwohl es ihre Wissenschaft ist. Es ist zwar immer wieder versucht worden, aber letzten Ende wird vorgezogen, das Leben anhand von Kriterien zu definieren. Die wichtigsten sind:
– Lebewesen bestehen immer aus einer oder mehreren Zellen
– Sie besitzen einen Stoffwechsel, mit dem sie der Umwelt Energie entziehen, um ihr inneres Fließgleichgewicht aufrecht zu erhalten
– Sie enthalten für ihre Entwicklung, Fortpflanzung und die Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktioen genetische Information, vor allem die Desoxyribonucleinsäure
– Sie erzeugen invariante Nachkommen, das heißt solche, die ihnen gleichen, womit gemeint ist, dass aus einm Wolf kein Wildschwein wird.
– Sie bestehen alle aus den gleichen Makromolekülen: Kohlenhydrate, Fettstoffe, Nucleinsäuren, Proteine.
Es gäbe noch einige Kriterien mehr. Was mich beschäftigt, ist die Besonderheit der Bärtierchen, wahre Überlebenskünstler. Sie können zwar Dauerstadien, sogenannte Cysten bilden, aber man kann sie auch langsam eintrocknen, wobei das Tönnchenstadium entsteht, dass wie eine kleine verschrumpelte Tonne aussieht. Diese kann man in flüssigen Stickstoff legen bei rund -196°C. Bei dieser Temperatur, die schon nahe am absoluten Nullpunkt ist (-273,15°C oder 0° Kelvin) kommt jeder Stoffwechsel aus physikalischen Gründen zum kompletten Stillstand. Dennoch können diese Bärtierchen, wenn man sie wieder günstigen Bedingungen aussetzt, zurück ins Leben gelangen und ganz normal weiter leben. Offenbar altern sie in diesem Zustand, der als Kryptobiose bezeichnet wird, nicht.
Wie geht das, wenn eines der zentralen Kriterien für Leben der aktive Stoffwechsel ist? Wie definieren wir dann den Tod? Wenn bei uns Menschen der Kreislauf, der Stoffwechsel und die Hirnaktivitäten zum Stillstand kommen, wird dieser Zustand als tot bezeichnet. Wichtig dabei sind die Gehirnaktivitäten, denn der Kreislaufstillstand ist zumindest kurzfristig reversibel. Und bekanntermaßen können Tote nicht wieder zum Leben erweckt werden. Bärtierchen haben auch ein Nervensystem und ein kleines Gehirn, Unterschlundganglion genannt, und natürlich einen Stoffwechsel. Alles kommt in flüssigem Stickstoff zum absoluten Stillstand. Also sind sie per Definition tot. Wie können sie dann, auch nach langer Zeit in flüssigem Stickstoff, wieder lebendig werden? Wie der Stoffwechsel bei dieser tiefen Temperatur zum Stillstand kommt, kann man gut beschreiben, aber wie er wieder losgeht, nicht.
Also können Bärtierchen von den Toten wiederauferstehen, um es etwas pathetisch auszudrücken. Meine Frage an einen Experten für Kryptobiose bei Bärtierchen brachte eine überraschende Antwort. Er meinte, diese Antwort sei zwar nicht abschließend befriedigend, aber vielleicht gäbe es drei Zustände, Leben, Kryptobiose und Tod. Eine spannende Sache.
Die Vorstufe zur Kryptobiose ist die Kryobiose, das Überleben bei sehr niedrigen Temperaturen. Dass verschiedenen Tiere einfrieren können und dann wieder auftauen und weiterleben, weiß man. Das gilt zum Beispiel für einige Insekten, aber auch verschiedene Frösche. Dabei kommt der Stoffwechsel allerdings nicht zum absoluten Stillstand. Diese Tiere haben dafür verschiedenen Techniken entwickelt.